Starke Pullfaktoren weg von der Apotheke

Fluchtursachen von PTAs erfolgreich bekämpfen


Katja Löffler

PTAs langfristig an die Apotheke zu binden, wird angesichts der sich zuspitzenden Personalengpässe immer wichtiger. Der Artikel gibt Ihnen als Apothekenleiter wertvolle Tipps, wie Mitarbeiterbindung in der Praxis gelingen kann und auf welche Rahmenbedingungen es dabei besonders ankommt.

Pullfaktoren weg von der Apotheke: Binden Sie Ihre PTAs nachhaltig!
 Bild: AdobeStock_Africa Studio

 

„PTA – dringend gesucht!“ Eine solche Stellenanzeige ist eher ein Hilferuf als Ausdruck eines professionellen Re- cruitings. Auf den Homepages vieler Landesapothekerkammern übertrifft die Anzahl der Stellenanzeigen für PTAs bei Weitem die anderer Berufsgruppen. Die Agentur für Arbeit listet den PTA-Beruf mit 2,2 von 3,0 Punkten als Engpassberuf mit einer durchschnittlichen Vakanz von 120 Tagen.

Demographische Umwälzungen in Sichtweite

Die demographische Entwicklung mit vielen älteren und wenigen jüngeren Arbeitnehmern ist bereits heute in den Apotheken spürbar. So steigt der Altersdurchschnitt sukzessive. Außerdem sinken laut ABDA seit einigen Jahren die Beschäftigtenzahlen der PKAs, PTAs und Pharmazie-Ingenieure, während Approbierte zuletzt noch Zuwächse erzielten. Dadurch konnten ausgeschiedene PTAs zum Teil durch Approbierte ersetzt werden. Doch diese Entwicklung ist endlich.

Das Prognos Institut geht davon aus, dass 2025 in Deutschland etwa 2,9 Millionen Erwerbstätige auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden. Aktuell gehen dem Arbeitsmarkt demographiebedingt jährlich rund 400.000 Beschäftigte verloren. Dieser Trend wird sich bis 2035 noch verstärken, denn bis dahin sind die letzten geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Welche Umwälzungen dadurch für die öffentlichen Apotheken entstehen, lässt sich bereits heute erahnen.

Das tatsächliche Ausmaß dieser Entwicklung wird daran sichtbar, dass gleichzeitig mit der Abnahme der Erwerbstätigen in Apotheken die Alterung der Bevölkerung zunimmt. Damit steigt der Arzneimittelbedarf, schließlich sind die über 60-Jährigen die Hauptzielgruppe der Apotheke. Was diese Konstellation für die Arbeitsbelastung in der Offizin bedeutet, lässt sich ebenfalls erahnen.

Hinweis: Dass sich der Apothekenmarkt ändern wird, ist sicher, wohin die Reise geht, wird von der Bereitschaft abhängen, alte Denkmuster zu durchbrechen und Veränderungen aktiv mitzugestalten.

Wer sich nicht anpasst, dem droht Ungemach!

Neue technologische Entwicklungen wie Telepharmazie, elektronische Serviceleistungen, digitale Beipackzettel, medizinische Wearables und KI-gestützte Tools (z. B. für Beratung und Kommunikation) werden den Apothekenmarkt umwälzen. Diese Veränderungen müssen gemanagt werden und bedürfen neuer Kompetenzen, will die öffentliche Apotheke zukunftsfähig bleiben. Daher darf eine Neuausrichtung der Institution Apotheke und der Apothekenberufe mit neuen Karrieremöglichkeiten nicht länger ein Tabuthema bleiben. Wer sich diesen neuen Gegebenheiten nicht anpasst, dem droht der Bedeutungsverlust! Zahlreiche einstmalige Marktführer wie Kodak oder Nokia können ein Lied (in Moll) davon singen.

PTA-Beruf mit völlig veralteten Strukturen

Als typischer Frauenberuf war PTA, wie der Name sagt, von Beginn an als Assistenzberuf ausgelegt. Karriere zu machen war nicht vorgesehen. Diese Einstellung stammt aus einer Zeit, als Frauen überwiegend Hausfrauen waren und nur mit Erlaubnis ihrer Ehemänner arbeiten durften. Das Gehalt der Ehefrau stellte lediglich einen kleinen Zuverdienst dar. Dass eine Frau von diesem Gehalt leben, geschweige denn eine Familie ernähren kann, war nicht vorgesehen.

Doch haben sich die Zeiten geändert. Während sich die übrige Arbeitswelt mit der Etablierung neuer Berufsbilder, Studiengänge und Karrieremöglichkeiten (u. a. in der Logopädie, Physiotherapie und Pflege) den gewachsenen Anforderungen angepasst hat, ist die Struktur des PTA-Berufs in den 1960er Jahren im vorigen Jahrhundert stecken geblieben. Die Folgen sind heute in Apotheken spürbar.

Engagierte und qualifizierte PTAs gehen

Gerade engagierte und gut qualifizierte PTAs verlassen die Apotheke in Richtung Industrie, Verwaltung, gehen zu Tech-Konzernen, die neue digitale Gesundheitsangebote entwickeln, oder orientieren sich komplett neu. Einige haben Studiengänge in Gesundheitsökonomie, Pharmamanagement, Pharmatechnik, Pharmazeutischer Chemie o. ä. absolviert. Finden diese Menschen keine adäquaten Arbeitsplätze in der Apotheke, wandern sie in andere Branchen ab.

Hinweis: Eine Antwort auf dieses Problem ist das sogenannte „Job Crafting“. Dabei passen Mitarbeiter ihren Job an ihre Fähigkeiten an. Das steigert die intrinsische Motivation und damit die Produktivität, Kreativität und Effizienz von Unternehmen.

So binden Sie PTAs nachhaltig an Ihre Apotheke

Nachdem in Zukunft weniger junge PTAs nachkommen, als ältere in Rente gehen, wird es für Apotheken essenziell sein, die vorhandenen PTAs nicht zu verlieren. Mitarbeiterbindung oder Commitment ist somit der entscheidende Schlüssel für den langfristigen Erfolg der Apotheke. Dabei wirkt Commitment auf drei verschiedenen Ebenen, die alle zu einer Verbundenheit führen – jede jedoch auf andere Weise und mit anderen Folgen.

Rationale Mitarbeiterbindung

Bei der rationalen (kalkulatorischen) Mitarbeiterbindung spielt die individuelle Abwägung der PTAs zwischen Kosten und Nutzen eine zentrale Rolle. Maßgeblich ist die Frage: „Was kostet mich ein Wechsel, und was bringt er mir?“ Dabei spielen nicht nur monetäre Überlegungen hinein, vielmehr sind auch Kosten im übertragenen Sinn gemeint: So fließen u. a. auch der Anfahrtsweg, die Nähe zu Kita oder Schule, die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten oder gar einige Stunden von zuhause aus arbeiten zu können, in die Kalkulation ein.

Wichtig: Arbeitgeber, die primär auf das kalkulatorische Commitment setzen, laufen Gefahr, dass Mitarbeiter in der aktuellen Arbeitsmarktsituation kündigen, sobald sie ein lukrativeres Angebot bekommen. Außerdem wirkt sich eine hohe rationale Bindung negativ auf die Leistung aus.

Moralische Mitarbeiterbindung

Die moralische (normative) Verbundenheit ist durch das Gefühl geprägt, dem Arbeitgeber etwas schuldig zu sein. Eine solche Bindung entsteht, wenn der Chef die PTA z. B. in einer schwierigen Lebenssituation finanziell unterstützt oder ihr eine teure Weiterbildung bezahlt hat. Dieser Druck der Verbundenheit basiert auf unserer menschlichen Eigenschaft, anderen nichts schuldig bleiben zu wollen. Deshalb fühlen wir uns demjenigen gegenüber, der uns einen Gefallen getan hat, verpflichtet. Anderenfalls würden wir uns selbst als undankbar wahrnehmen.

Wichtig: Die moralische Mitarbeiterbindung ist sehr stark personenabhängig, denn sie wird durch die Werte und Normen des jeweiligen Umfelds, in dem wir aufgewachsen sind, geprägt. Auch eine faire Behandlung führt zu normativem Commitment. Dieses wirkt sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit aus. Dagegen hat die moralische Mitarbeiterbindung keinen Einfluss auf die Leistung, weder positiv noch negativ.

Emotionale Mitarbeiterbindung

PTAs, die sich mit den Werten, Normen und Zielen der Apotheke identifizieren, fühlen sich ihrem Arbeitgeber emotional verbunden. Insbesondere ein positives Betriebsklima, eine wertschätzende Kommunikation und die individuelle Unterstützung durch die Führungskraft verstärken dieses Gefühl. Emotional gebundene Mitarbeiterinnen arbeiten gerne in ihrer Apotheke, weil sie sich dort wohl fühlen und stolz auf ihren Arbeitgeber sind. Dies hat sogar Auswirkungen auf den Gesundheitszustand, denn sie sind seltener krank und fühlen sich weniger gestresst.

Wichtig: Für eine Apotheke hat ein hohes emotionales Commitment den Vorteil, dass sie leistungsfähiger, innovativer und wettbewerbsfähiger wird. Damit ist die emotionale Mitarbeiterbindung zwar nicht das einzige, aber das wichtigste Instrument, um PTAs zu halten und mittel- bis langfristig an den Betrieb zu binden. Außerdem wirken emotional gebundene Mitarbeiter wie Multiplikatoren, die neue Bewerber anziehen.

Arbeitszufriedenheit steigern

Arbeitszufriedenheit ist der Zustand, wie Menschen ihre Tätigkeit und ihren Arbeitsplatz erleben und bewerten. Dabei zeigt die Forschung eindeutige Zusammenhänge: Je höher die Arbeitszufriedenheit, desto stärker ist die Mitarbeiterbindung, und desto geringer sind Fehlzeiten und Fluktuation.

Unterschiedliche Umfragen zur Arbeitszufriedenheit von PTAs und der Blick in die Sozialen Medien liefern dagegen ernüchternde Ergebnisse: Das Gehalt, die zunehmende Arbeitsbelastung, frustrierende Rahmenbedingungen (wie langes Stehen, Lärm, unattraktive Arbeitszeiten), mangelnde Wertschätzung, unzuverlässige Dienstpläne und fehlende Karrieremöglichkeiten führen oft zu Unzufriedenheit und Frustration. Bei Einstellungsgesprächen wird vielen Bewerbern das „Blaue vom Himmel“ versprochen, z. B. eine strukturierte Einarbeitung, eine wertebasierte Unternehmenskultur, ein gutes Betriebsklima etc. – doch bereits nach kurzer Zeit ist davon oft nur noch heiße Luft übrig.

Fazit: Bei der Arbeitszufriedenheit von PTAs – speziell den Arbeitsbedingungen, Arbeitsaufgaben, Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten sowie Aufstiegsmöglichkeiten – gibt es erhebliches Verbesserungspotenzial!

Arbeitsbedingungen

Entgegen vielen Behauptungen ist das Gehalt ein wesentlicher Faktor für Arbeitszufriedenheit bzw. (im Umkehrschluss) eine Kündigungsabsicht. Es sollte entsprechend der individuellen Qualifikationen und der zusätzlich übernommenen Aufgaben angepasst sein.

Sitzgelegenheiten sowie bauliche Veränderungen im Handverkauf können arbeitsbedingten Stress reduzieren, z. B. durch abgegrenzte Bereiche, in denen diskrete Beratungsgespräche möglich sind, ohne laut sprechen zu müssen. Manche Tätigkeit könnte auch aus dem Homeoffice erledigt werden, was mit modernen technischen Möglichkeiten kein Problem sein sollte.

Neue Entwicklungen wie Telepharmazie, KI-gestützte Tools etc. werden den Apothekenmarkt umwälzen. Deshalb darf eine Neuausrichtung der Institution Apotheke und der Apothekenberufe mit neuen Karrieremöglichkeiten nicht länger ein Tabuthema bleiben. Wer sich diesen neuen Gegebenheiten nicht anpasst, dem droht der Bedeutungsverlust!

Arbeitsaufgaben

Spannende, abwechslungsreiche Aufgaben mit Eigenverantwortung und eigenen Gestaltungsspielräumen fördern die Arbeitszufriedenheit. Dazu gehört, dass PTAs in ihrem Job verschiedene Fähigkeiten einsetzen können. Aus diesen ließen sich zahlreiche neue pharmazeutische Dienstleistungen entwickeln, was der Apotheke weitere Umsätze bescheren würde. Außerdem zeigen Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit als bedeutsam für andere Menschen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens empfinden, höhere Zufriedenheitswerte.

Soziale Beziehungen zu Kollegen

Der soziale Austausch mit Kollegen und die gegenseitige Unterstützung fördern das Verständnis füreinander und insbesondere die emotionale Bindung von Mitarbeitern. Aus diesem Grund sind kurze Kaffeepausen oder der kleine „Plausch“ zwischendurch so wichtig.

Führungsverhalten der Vorgesetzten

Die Wertschätzung eines besonderen Verhaltens, die Rückmeldung darüber sowie die individuelle Unterstützung und Förderung von PTAs steigern ihre emotionale Bindung.

Beispiel: Das freiwillige Einspringen im Krankheitsfall sollte die Ausnahme und nicht die Regel sein. Diese Extraleistung verdient auch eine explizite Anerkennung durch den Vorgesetzten: „Sie sind gestern für Frau XY eingesprungen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Ohne Sie hätten wir den Kundenansturm nicht bewältigt.“

Entwicklungsperspektiven

Sicher, es gibt zahlreiche Fort- und Weiterbildungen für PTAs zu verschiedenen Themen wie Darmgesundheit, Ernährungs-, Mutter-Kind- oder Hautberatung. Allerdings gelten diese in der Apotheke nicht als „echter“ Aufstieg, denn ein solcher wäre mit einer Gehaltserhöhung und der Anerkennung als Experte auf dem jeweiligen Spezialgebiet verbunden. Dasselbe gilt für IHK-Weiterbildungen zum Ausbilder oder zum Fachwirt im Gesundheitswesen sowie die vor einigen Jahren eingeführten Studiengänge für PTAs. Dabei belegen Studien, dass „echte Beförderungen“ einen starken Einfluss auf die Mitarbeiterbindung haben.

Hinweis: Neben betriebswirtschaftlichen Erfordernissen bieten die zahlreichen technologischen Neuerungen gute Aufstiegschancen für PTAs, z. B. im Bereich Digital Health, E-Commerce, Präventionsmanagement oder beim Tabuthema Vertretungsbefugnis. Dadurch können Apotheken ihr Leistungsspektrum erweitern und die Mitarbeiterbindung steigern.

Teufelskreis Fluktuation

Verlässt eine langjährige, engagierte und gut qualifizierte PTA die Apotheke, hat das nicht nur erhebliche Kosten und den Verlust von Wissen zur Folge, sondern auch negative Auswirkungen auf das Betriebsklima, denn für die verbliebenen Mitarbeiter bedeutet das zunächst einmal Mehrarbeit. Hinzu kommt der Domino-Effekt, der andere Kollegen u. U. ebenfalls zum Kündigen veranlasst.

 

Die wichtigsten Ergebnisse des Gallup Engagement Index 2023

  • Nur 14 % der Arbeitnehmer in Deutschland weisen eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber auf.
  • Ebenfalls nur 14 % der Befragten erleben ein durch gute Führung geprägtes Arbeitsumfeld, das zu einer hohen emotionalen Bindung führt.
  • Mit 45 % sind mehr Arbeitnehmer denn je auf Jobsuche oder offen für eine neue Aufgabe.
  • 25 % der Befragten gaben an, dass ihnen im vergangenen Jahr von einem Headhunter eine Stelle angeboten wurde.
  • Von den neu gewonnenen Mitarbeitern beabsichtigen (nur) 48 % uneingeschränkt, in einem Jahr noch bei dem neuen Arbeitgeber zu sein.

Katja Löffler, Wirtschaftspsychologin (M. Sc.), Dipl. Kffr. (FH) und PTA, 85630 Grasbrunn

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(08):6-6